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Antrittsvorlesung von Professor Rupprecht Podszun: „Trostpreise im Wettbewerb und die digitale Ökonomie“

Welchen Wettbewerb schützen wir – und wie? Dieser Frage stellte sich Prof. Dr. Rupprecht Podszun in seiner Antrittsvorlesung am 10. Juli 2017 an der Heinrich-Heine-Universität. Seine zentrale These: In der digitalen Plattformökonomie wird Wettbewerb als Ordnungsmechanismus der Wirtschaft immer weiter an den Rand gedrängt. Damit verliert die Wirtschaft ihren dynamischen Treiber, ihren Gerechtigkeitsgehalt und Kunden und Unternehmen verlieren Freiheitsräume: „Die digitale Autonomie stirbt Bit für Bit“, warnte Podszun. Er forderte die Kartellbehörden auf, die Finanzkraft von Unternehmen und technologische Marktzutrittsschranken stärker in den Blick nehmen.

Der Hörsaal 3C der Heinrich-Heine-Universität war rappelvoll, als Dekan Prof. Dr. Lothar Michael die Gäste zur Antrittsvorlesung begrüßte. Professor Podszun hat den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht an der Juristischen Fakultät übernommen. Der Lehrstuhl wurde neu geschaffen, um ein Zeichen für Düsseldorf als Kartellrechtsstandort Nummer 1 in Deutschland zu setzen. So war es kein Wunder, dass neben der Rektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck und den Kolleginnen und Kollegen aus der Fakultät zahlreiche Gäste aus der Praxis gekommen waren, darunter der Vizepräsident des Oberlandesgerichts, Dr. Ulrich Thole, der Vorsitzende des 1. Kartellsenats am OLG, Prof. Dr. Jürgen Kühnen, Vertreter der Anwaltschaft, des Bundeskartellamts und der Monopolkommission. Unter den Gästen waren auch der akademische Lehrer von Rupprecht Podszun, Prof. Dr. Josef Drexl vom Münchner Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, und – was den Dekan besonders freute – zahlreiche Studierende. Podszun hat in Heidelberg, London, München und Genf Studium und Referendariat absolviert. Nach zwei Jahren als Referent im Bundeskartellamt wechselte er an das Max-Planck-Institut. Er habilitierte sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der Arbeit „Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte“ und übernahm 2013 einen Lehrstuhl an der Universität Bayreuth. Nach Düsseldorf wechselte er zum 1.10.2016 – samt seinen Wissenschaftlichen Mitarbeitern (Thilo Klawonn, Stephan Kreifels, Tristan Rohner und Gregor Schmieder). Das Team des Lehrstuhls wurde in Düsseldorf um Sabine Schuhmacher im Sekretariat und mehrere studentische Hilfskräften ergänzt.

Ein schöner Zufall wollte es, dass just am Tag der Antrittsvorlesung das erste Düsseldorfer Buch erschien, das eine Kooperation des Lehrstuhls mit dem anderen kartellrechtlichen Lehrstuhl an der Juristischen Fakultät, dem von Prof. Dr. Christian Kersting, darstellt: Kersting und Podszun haben gemeinsam das Handbuch „Die 9. GWB-Novelle“ im Beck-Verlag herausgegeben.

Das Kartellrecht ist Podszuns Leidenschaft, wie auch an diesem Abend unschwer zu merken war. Er bekannte sich zu einem dynamischen Wettbewerbsverständnis, das von der „zweiten Chance“ lebt: Das Spiel von Angebot und Nachfrage findet immer wieder aufs Neue statt und bietet damit Unternehmen immer wieder neue Chancen, Erfolg beim Kunden zu haben. Wer heute im Wettbewerb das Nachsehen hat, kann, quasi als „Trostpreis“, morgen einen neuen Anlauf unternehmen. Dieses Bild vom Wettbewerb illustrierte Podszun mit einem Rückgriff in Homers „Ilias“: Der Trostpreis, den der Verlierer Eumelos dort erhält, ist für Podszun ein Zeichen für ein abendländisches Wettbewerbsverständnis.

Völlig konträr dazu steht ein Satz wie der des Silicon-Valley-Investors Peter Thiel: „Competition is for losers.“ In der digitalen Plattformökonomie wird Wettbewerb an den Rand gedrängt. Plattformen, etwa Amazon Marketplace, Facebook oder Uber, sind erfolgreich, weil sie Informationsdefizite beseitigen und Transaktionskosten reduzieren. Das ist ökonomisch erst einmal vorteilhaft, so Podszun. Die Gefahr sieht er jedoch darin, dass Plattformen eine Machtstellung erhalten, die nicht mehr angreifbar ist. Sobald das der Fall ist, droht eine Ausbeutung dieser Machtstellung. Ökonomische Vorteile könnten wieder aufgefressen werden. Vor allem aber werden die Freiheitsräume derjenigen eingeschränkt, die sich an die Plattform gebunden haben. Mit technischen Lock-in-Effekten, der Analyse von Daten und der Ausweitung ihrer Aktivitäten in immer weitere Märkte sichern sich die Plattformen ab. Der Leistungswettbewerb der Unternehmen um Zugang zum Kunden wird über Plattformen kontrolliert und gesteuert, er findet nur noch am Rande der Marktwirtschaft statt. Eine zweite Chance gibt es wegen der Dominanz der Plattform seltener. Vor einer solchen Entwicklung warnt Podszun – und er vertraut auf das Kartellrecht. Zugangs- und Portabilitätsverpflichtungen seien freilich nur ein schwacher Trost. Podszun vertraut stattdessen auf die Fusionskontrolle. Seine drei Forderungen: eine umfassende Analyse digital vernetzter Märkte statt einer kleinteiligen Marktabgrenzung; die verstärkte Berücksichtigung technologischer Barrieren (Podszun wünscht sich einen „more technological approach“) und die Anerkennung von Finanzkraft von Unternehmen als entscheidendem Faktor für Marktmacht.

Starker Applaus brandete nach diesem kraftvollen Plädoyer für die Bewahrung des dynamischen Wettbewerbs auf. Die Gäste hatten für den anschließenden Empfang reichlich Stoff zur Diskussion. Auf die weiteren Forschungen des Lehrstuhlteams darf man gespannt sein.

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