Am Montag, dem 25. Oktober 2010 fand die elfte Veranstaltung der Vortrags- und Diskussionsrei-he „Forum Arbeitsrecht“ an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf statt. Referent war Herr Univ.-Prof. Dr. Wolf-Dietrich Walker, Inhaber der Professur für Bürgerli-ches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht, von der Justus-Liebig-Universität in Gießen, der durch umfangreiche Forschungen und zahlreiche Veröffentlichungen als profunder Fachmann auf den Gebieten der Zwangsvollstreckung und des Arbeitsgerichtlichen Verfahrens ausgewiesen ist.
Zu Beginn seines Vortrags erläuterte Prof. Walker die Struktur der Vollstreckung im Arbeitsgericht-lichen Verfahren und rekurrierte in diesem Rahmen einführend auf die grundlegenden Vorschriften der §§ 62 und 85 ArbGG. Dabei stellte er heraus, dass auch arbeitsgerichtliche Urteile und die weiteren Vollstreckungstitel des § 794 ZPO gemäß § 65 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar sind, demgegenüber allerdings auch § 717 ZPO uneingeschränkt Anwendung findet. Insoweit kön-ne sich also der vorläufig vollstreckende Gläubiger gemäß § 717 Abs. 2 ZPO schadensersatz-pflichtig machen, wenn die vorläufig vollstreckbare Entscheidung aufgehoben oder abgeändert
werde. Einschränkend sei das Bundesarbeitsgericht nach seiner jüngsten Rechtsprechung jedoch der Auffassung, dass Schadensersatzansprüche im Sinne des § 717 Abs. 2 ZPO solche Ansprü-che darstellen, die „aus dem Arbeitsverhältnis“ entstehen und die damit einer tariflichen Aus-schlussklausel unterliegen können.
Sodann erläuterte Prof. Walker die Regelung des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG, die eine Ausnahme zum Grundsatz der vorläufigen Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtlicher Entscheidungen darstellt. Danach hat das Arbeitsgericht die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag des Schuldners im Urteil dann auszuschließen, wenn dieser glaubhaft macht, dass die vorläufige Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt. Umstritten sei jedoch, was einen nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne der Vorschrift
darstelle. Nach Ansicht des Referenten sind nicht nur die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels oder vollendete Tatsachen zu berücksichtigen, die nicht rückgängig gemacht oder ausgeglichen werden können.
Vielmehr soll, über den Wortlaut der Norm hinaus, nach ihrem Sinn und Zweck auch eine Abwägung mit Gläubigerinteressen stattfinden. Besonders problematisch seien in diesem Zusammenhang (nachvertragliche) Wettbewerbsverbote, die eine Abwägung aller widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich machten. Die gleichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten zudem für die Regelung des § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG, nach der die vorläufige Vollstreckbarkeit auch für die Fälle der §§ 707 und 719 ZPO in unanfechtbarer Weise ausgesetzt werden könne. Darüber hinaus könne die vorläufige Vollstreckung auch gemäß der allgemeinen Vorschriften der ZPO, insbesondere
der §§ 765a, 766 und 769 ZPO, eingestellt werden. Streitig sei aber, ob in diesen Fällen der Schuldner ebenfalls einen nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG glaubhaft zu machen habe. Nach Auffassung Prof. Walkers gilt dieses Erfordernis ausschließlich
für die Regelungen des ArbGG, welche die vorläufige Vollstreckung einschränken.
Im Anschluss behandelte er die Vorschrift des § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, derzufolge die allgemeinen Vorschriften der ZPO im Übrigen zur Anwendung gelangen. Insoweit müssten einerseits auch im Arbeitsgerichtlichen Verfahren die allgemeinen Voraussetzungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit vorliegen; danach dürfen insbesondere keine Vollstreckungshindernisse existieren, andererseits muss der Vollstreckungstitel derart konkret und bestimmt sein, dass ein Vollstreckungsorgan in der Lage ist, aus ihm zu vollstrecken. In diesem Rahmen ging Prof. Walker auf den sog. „Bruttolohntitel“ ein, dem zufolge der Arbeitnehmer, vor dem Hintergrund der ihm obliegenden Abführungspflicht der Lohnnebenkosten, seinen Arbeitslohn in schuldrechtlicher Hinsicht grundsätzlich in Bruttolohnhöhe gegenüber seinem Arbeitgeber vollstrecken kann. Faktisch, so Prof. Walker, könne der Arbeitnehmer den Bruttolohntitel allerdings kaum vollstrecken, da er regelmäßig keine Kenntnis über die abzuführenden Beträge der Lohnnebenkosten hat. Vor diesem Hintergrund beziehe sich die Formulierung „Abfindung ohne Abzüge“ im Arbeitsvertrag auch nicht auf die Zahlung eines Nettobetrages, sondern vielmehr auf zivilrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Im Hinblick auf die Bestimmtheit eines Weiterbeschäftigungstitels des Arbeitnehmers müsse die Art der ausgeurteilten Beschäftigung oder aber die konkrete Zuweisung einer bestimmten Tätigkeit aus dem Titel ersichtlich sein. Andernfalls nämlich bestünde die Gefahr, dass bei einem weit formulierten Antrag des Arbeitnehmers die Klage bereits als unbegründet abgewiesen werde.
Sodann rekurrierte Prof. Walker auf die Durchführung der Vollstreckung im Arbeitsgerichtlichen Verfahren und stellte fest, dass in diesem Bereich grundsätzlich keine „arbeitsrechtlichen“ Besonderheiten gelten. So beziehe sich bei einer Vollstreckung in Forderungen, insbesondere in das Arbeitseinkommen, der Umfang der Pfändung gemäß §§ 832, 833 ZPO auf das gesamte Arbeitseinkommen. Hieraus folge in Übereinstimmung mit der Auffassung des Zehnten Senates des Bundesarbeitsgerichts, dass auch ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, der aufgrund einer Nachweispflichtverletzung des Arbeitgebers entsteht, vom Umfang der Pfändung erfasst werde. Liege ein Fall unverhältnismäßig geringer Vergütung im Rahmen sog. „Lohnverschleierung“ vor, werde gemäß § 850h Abs. 2 ZPO die (angemessene) Lohnhöhe fingiert. Wann insoweit allerdings von einer Unverhältnismäßigkeit der Lohnhöhe ausgegangen werden
könne, obliege, vor dem Hintergrund, dass die Begriffe „unverhältnismäßig geringe“ und „angemessene Vergütung“ unbestimmte Rechtsbegriffe sind, einer einzelfallbezogenen Beurteilung.
Würden Handlungstitel vollstreckt, gelangten die §§ 887, 888 ZPO uneingeschränkt zur Anwendung. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang jedoch § 61 Abs. 2 S. 2 ArbGG, dem zufolge die Zwangsvollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO dann ausgeschlossen ist, wenn der Beklagte auf Antrag des Klägers für den Fall, dass die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung verurteilt wird. Hinsichtlich der Problematik der Vollstreckung in die Arbeitsleistung überzeugt
die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, das die Arbeitsleistung als solche stets als eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO erachtet, nach Ansicht von Prof. Walker nicht. Seines Erachtens ist nämlich nicht einsichtig, warum einfache Arbeitstätigkeiten nicht auch durch eine
Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO vorgenommen werden können.
Zum Abschluss seines Vortrages ging Prof. Walker kurz auf die Durchführung der Vollstreckung im Arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ein. Er hob insbesondere hervor, dass eine Vollstreckung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten erst ab Rechtskraft des Beschlusses möglich ist. Handele
es sich bei dem Streitgegenstand um einen Unterlassungsanspruch, sei im Erkenntnisverfahren insbesondere auf die Bestimmtheit des Titels Wert zu legen. Darüber hinaus sei die Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG zu beachten, der zufolge der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen kann, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber nämlich einer solchen Verpflichtung zuwider, so ist er gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 BetrVG auf Antrag vom Arbeitsgericht nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen.
Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine rege Diskussion, die insbesondere die Gestaltung von Anträgen im Erkenntnisverfahren hinsichtlich einer späteren Vollstreckung zum Gegenstand hatte.
Anschließend konnte der Meinungsaustausch im Rahmen eines Umtrunks und Imbisses fortgeführt werden.