Das Forum Energierecht des Düsseldorfer Instituts für Energierecht (DIER) widmete sich am 16.6.2025 dem Thema „Klimaschutz durch Emissionshandel“. Zugleich wurde der gerade erschienene Handkommentar „Klimaschutzrecht“ vorgestellt, den Prof. Dr. Kreuter-Kirchhof und Prof. Dr. Schlacke gemeinsam herausgeben.
Prof. Dr. Kreuter-Kirchhof begrüßte als Dekanin der Juristischen Fakultät die Referentin und Referenten sowie die über 100 Teilnehmenden im Haus der Universität und an den Bildschirmen. Prof. Dr. Sabine Schlacke, Direktorin des IfEUS an der Universität Greifswald, eröffnete das Forum mit ihrem Vortrag zum Klimaschutzrecht im Wandel vor. Ihr Überblick über die schrittweise Einführung und Änderung der Klimaschutzgesetze auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zeichnete ein vielschichtiges Bild der aktuellen Regelungen zum Klimaschutz. Die verschiedenen Klimaschutzzielen sowie die Pläne und Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele, die Berichts-, Fortschreibungs- und Berücksichtigungspflichten auf den unterschiedlichen Ebenen des Rechts sind keinesfalls stets aufeinander abgestimmt. Das Klimaschutzrecht der EU und die deutsche Klimaschutzgesetzgebung entwickeln sich sehr dynamisch. Mit der Änderung des KSG im Jahr 2024 seien die Sofortprogramme und die verbindlichen Sektorziele gestrichen worden. An die Stelle einer reaktiven sei eine vorausschauende Planung in Form einer weichen „Politikplanung“ getreten.
Prof. Dr. Kreuter-Kirchhof und Jan Diedrichs, der langjährige Geschäftsführer des DIER, analysierten in gemeinsamen Referaten die die Bedeutung der europäischen Emissionshandelssysteme für den Klimaschutz. Der Emissionshandel sei ein Brückeninstrument auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Entscheidend für die verlässliche Klimawirksamkeit des Instruments sei die Gesamtmenge der auf dem Markt verfügbaren Emissionszertifikaten; diese bestimme zulässige Gesamtemissionsmenge ("cap"). Jan Diedrichs analysierte die neueren Entwicklungen im europäischen Emissionshandel I (EU-ETS I). Dieser umfasse die großen Energieerzeugungs- und Industrieanlagen in der EU und nun auch den Luft- und Seeverkehr. Dadurch seien insgesamt ca. 40 % der europäischen CO2Emissionen erfasst. Die Zahl der ausgegebenen Emissionszertifikate auf dem Markt werde jährlich um einen linearen Reduktionsfaktor gesenkt, um so die Klimaschutzziele der EU zu erreichen. Im Zuge der Fit-for-55 Reform sei das Reduktionsziel des EU-ETS I für das Jahr 2030 von 43 % auf 62 % gegenüber dem Jahr 2005 erhöht und der lineare Reduktionsfaktor ab den Jahr 2024 von 2,2 % auf 4,3 % und sodann ab dem Jahr 2028 auf 4,4 % verschärft worden. Bis zur Fit-for-55-Reform hätten die Emissionen der am Handel teilnehmenden Sektoren unter den Zielvorgabe gelegen; nun aber setze der Handel einen Anreiz für eine Dekarbonisierung des Energie- und Industriesektors. Nach der derzeitigen europäischen Rechtslage mit einem linearen Reduktionsfaktor 4,4 % würden ab dem Jahr 2039 keine neuen Zertifikate mehr ausgegeben. Der EU-ETS I hätte bereits zu diesem Zeitpunkt sein Klimaschutzziel erreicht und sich damit selbst erledigt.
Prof. Dr. Kreuter-Kirchhof wandte sich sodann dem neuen europäischen Emissionshandel II (EU-ETS II) zu. In dieses neue, eigenständige Handelssystem werden ab dem Jahr 2027 insbesondere die Sektoren Gebäude und Verkehr einbezogen. In Deutschland bestünde für diese Sektoren bereits seit dem Jahr 2021 ein nationaler Brennstoffemissionshandel. In der Einführungsphase bis zum Jahr 2026 begründet dieser allerdings ein Festpreissystem mit staatlich festgelegten Zertifikatspreisen ohne verbindliche „Cap“. Erst ab dem Jahr 2027 solle der Markt die Preise für die Zertifikate bestimmen. Bereits heute erhöhe der nationale Brennstoffemissionshandel die Kosten für die Verbraucher, ohne dass diesen dies unmittelbar bewusst sei. Der neue europäische Emissionshandel II werde das nationale Handelssystem ab dem Jahr 2027 überlagern. Die Cap werde dann europaweit festgelegt, die Zertifikate seien unionsweit handelbar und die Preise werden auf dem europäischen Markt bestimmt. In den ersten drei Jahren solle der Preis für ein CO2-Zertifikat nicht über 45 € liegen. Ob die Preisstabilisierungsmechanismen des Handelssystems diese Preisgrenze einhalten werden, bleibe abzuwarten. Angesichts der zu erwartenden Kosten für die Verbraucher, sei ein sozialer Ausgleich für Haushalte mit geringem Einkommen und für Kleinunternehmer zwingend erforderlich. Prof. Kreuter-Kirchhof wies darauf hin, dass die Emissionshandelssysteme bereits heute zu erheblichen staatlichen Einnahmen führten. So habe der nationale Brennstoffemissionshandel im Jahr 2024 zu staatlichen Einnahmen in Höhe von 18,5 Mrd. Euro geführt. Da der Emissionshandel als Brückeninstrument darauf angelegt sei, sich selbst zu erübrigen, sollten diese Einnahmen die Transformation zur Treibhausgasneutralität finanzieren.
Schließlich wies Prof. Kreuter-Kirchhof darauf hin, dass das seit der jüngsten Verfassungsänderung im Grundgesetz verankerte Ziel der „Klimaneutralität bis zum Jahr 2045“ nicht dem europäischen Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 entspräche. Durch die beiden europäischen Emissionshandelssysteme werde die Gesamtmenge der zulässigen Treibhausgasemissionen nicht nach nationalen Quoten, sondern unionsweit bestimmt. Es drohe deswegen (erneut) ein Wasserbetteffekt: Emissionen werden dann nicht reduziert, sondern nur in andere Staaten verlagert. Dies müsse verhindert werden.
Herr Rechtsanwalt Dr. Jörg Meinzenbach analysierte im Anschluss den europäischen Grenzausgleichsmechanismus (= Carbon Border Adjustment Mechanism, "CBAM"). Der CBAM sei ein sehr komplexes Instrument. Er gälte bisher nur für den Import von bestimmten Waren (Eisen, Stahl, Wasserstoff, Düngemittel, Elektrizität, Zement und Aluminium). Der CBAM diene im Kern dazu, in den Sektoren, die dem EU-ETS I unterliegen, Carbon Leakage zu verhindern. Die bisherige Strategie der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten in abwanderungsgefährdeten Industrien werde schrittweise durch den CBAM ersetzt. Der Preis der CBAM-Zertifikate richte sich nach dem Durchschnittspreis der Zertifikate im EU-ETS I. Allerdings gäbe es kein eigenständiges Cap-and-Trade System; was die Frage aufwerfe, ob der angestrebte Gleichlauf zwischen importierten und in der EU hergestellten Waren tatsächlich gegeben sei. Der CBAM werde in zwei Phasen eingeführt. In der ersten Phase bis zum Ende des Jahres 2025 gäbe es nur eine Berichtspflicht. Erst in zweite Phase ab 2026 müssten Zertifikate erworben und abgegeben werden. Dafür müssten die im EU-Ausland bei der Herstellung tatsächlich angefallenen Emissionen ermittelt werden. Etwaige im Ausland bereits entrichtete CO2 Preise würden angerechnet. Der CBAM begründe in seiner gegenwärtigen Fassung auch von kleinen Importeuren erhebliche Berichtspflichten. Deshalb plane die EU eine De-minimis Ausnahme, die 90 % der Importeure vom Anwendungsbereich ausnahmen, weiterhin aber über 90 % der Emissionen erfassen solle.
An die Vorträge schloss sich eine sehr lebendige Diskussion mit den Teilnehmenden vor Ort und im digitalen Raum an, deren Fragen Frau Laura Golsong, Doktorandin am DIER, auf dem Podium vertrat. Die angeregte Diskussion fand bei einem Get‑together auf Einladung der Düsseldorfer Vereinigung für Energierecht (DVER) im Foyer des Hauses der Universität einen geselligen Ausklang. Wir bedanken uns herzlich bei den Referentinnen und Referenten für die herausragenden Vorträge und bei den Teilnehmenden für ihre Beiträge zur Diskussion.