JuristInnen in der Politik
Online-Veranstaltung in der Veranstaltungsreihe "Juristinnen und Juristen im Dialog"
Am 10.11.2020 fand bereits zum elften Mal eine Veranstaltung in der Reihe „Juristinnen und Juristen im Dialog“ statt, zu der Frau Prof. Dr. Katharina Lugani als Gleichstellungsbeauftragte der Juristischen Fakultät Düsseldorf herzlich einlud. Aufgrund der aktuellen Umstände der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung erneut online per Videokonferenz statt. Die Veranstaltung trug den Titel „JuristInnen in der Politik“. Dazu waren den interessierten TeilnehmerInnen Frau MdB Katrin Helling-Plahr, LL.M. (FDP) und Herr MdL Thomas Kutschaty (SPD) zugeschaltet. Katrin Helling-Plahr ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht und seit 2017 Bundestagsabgeordnete der FDP. Thomas Kutschaty ist Rechtsanwalt, seit 2005 Mitglied des Landtags NRW und seit 2018 Vorsitzender der SPD-Fraktion NRW. Von 2010 bis 2017 war er Justizminister des Landes NRW. Die Veranstaltung wurde mit beinahe 90 ZuhörerInnen hervorragend besucht. Ziel der Veranstaltung war es, die Tätigkeit von JuristInnen in der Politik vorzustellen und näher zu beleuchten.
Nach einer kurzen Begrüßung von Prof. Dr. Katharina Lugani stellten sich die beiden Gäste zunächst selbst vor, berichteten über ihre jeweilige politische wie juristische Vita und ihre genaue Tätigkeit als Abgeordnete im Bundes- bzw. Landtag. Frau MdB Helling-Plahr berichtete über ihren typischen Wochenablauf im Bundesparlament, dem Unterschied zwischen Sitzungswochen und sonstigen Wochen und von ihren zahlreichen wöchentlichen Terminen. Herr Kutschaty erzählte von den verschiedenen Positionen seiner Vita und erläuterte Unterschiede der Tätigkeit eines Justizministers des Landes NRW im Gegensatz zu der eines Oppositionsführers.
Es wurde den Referenten anschließend die Frage gestellt, ob ihnen ihr Jurastudium im Berufsalltag als PolitikerIn hilft. Dies bejahten beide Gäste. Frau MdB Helling-Plahr betonte, wie sehr ihr die juristische Ausbildung im Rechtsausschuss – insbesondere bei den behandelten unterschiedlichen Rechtsgebieten – helfe („ich wüsste nicht, wie es ohne geht“). Für ihre Tätigkeit im Gesundheitsausschuss verwies Frau Helling-Plahr auf die große Bedeutung des LL.M.-Studiengangs Medizinrecht an der HHU, welchen sie 2014/2015 absolviert hatte. Herr Kutschaty bezeichnete das Jurastudium für seine Tätigkeit als Justizminister in NRW als „fast zwingende Voraussetzung“. Er betonte jedoch ebenfalls, dass das Studium auch bei seiner sonstigen politischen Tätigkeit sehr hilfreich sei. So schätze er die durch die Ausbildung erlernten Fähigkeiten, beispielsweise die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung oder Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, bei all seinen Tätigkeiten als sehr hilfreich ein.
Daraufhin wurden die Referenten nach ihrer Einschätzung der größten Vor- und Nachteile des Berufs als PolitikerIn gefragt. Herr Kutschaty sagte, dass für ihn ein großer Vorteil das freie und eigenständige Arbeiten sei. Auch dass ihn jeden Tag etwas Neues erwarte, dass er auf verschiedene unerwartete Situationen reagieren müsse und dass sein Beruf dadurch abwechslungsreich sei, sei für ihn vorteilhaft. Frau Helling-Plahr antwortete: „Der größte Vorteil ist, dass ich Politik machen darf“. Auch sie sieht die Freiheiten des Berufs und das eigenverantwortliche Arbeiten als großen Gewinn des Berufes an. Als Nachteil benannten beide Gäste die insgesamt doch hohe Arbeitsbelastung. Frau Helling-Plahr nannte als weiteren Nachteil die zeitliche Begrenzung des politischen Mandats, was sie zwar in einer Demokratie für richtig und wichtig hält, was natürlich aber auch Unsicherheiten mit sich bringe. „Man darf sich keine Fehler erlauben“, so Frau Helling-Plahr wörtlich. Beide Gäste sahen einen Vor- als auch Nachteil in der Tatsache, dass man als PolitikerIn eine Person des öffentlichen Lebens ist. So freuen sich sowohl Frau Helling-Plahr als auch Herr Kutschaty über politische Gespräche an der Supermarkt-Kasse, müssen aber auch mit Bedrohungen und Beleidigungen umgehen. Dennoch betonte Frau Helling-Plahr, dass sie trotz bestehender Nachteile eine positive Bilanz ziehe und auch Herr Kutschaty ist trotz alledem bereits seit über 15 Jahren in der Politik tätig.
Thema der Veranstaltung war weiterhin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Frau Helling-Plahr ist Mutter von zwei kleinen Kindern und berichtete den TeilnehmerInnen eindrucksvoll, wie sie ihren Alltag im Bundestag mit Kleinkindern meistert: „Ich nehme die beiden immer mit.“ So waren ihre Kinder schon bei fraktionsinternen Sitzungen, Ausschusssitzungen und auch sonst bei vielen Terminen. Probleme ergäben sich lediglich – so Frau Helling-Plahr – bei Plenarsitzungen. Dort seien Kinder nicht erlaubt. Eine Ausnahme gelte nur bei Abstimmungen. Frau Helling-Plahr zufolge erfordere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel Organisation, aber es funktioniere und mache Spaß. Auch Herr Kutschaty ist Vater von drei Kindern, die aber schon größer sind. Er betont, dass er als Landespolitiker nur einen Wohnsitz habe und meist zuhause schlafen könne, was für ihn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtere. Zwar sei ein gemeinsames Abendessen mit der Familie oft nicht möglich, das gemeinsame Frühstück sei für ihn aber sehr wichtig. Besonders interessant zu hören war, dass Herr Kutschaty und seine Frau – als deren Kinder noch klein waren – abwechselnd Elternzeit genommen hätten und wie untypisch dies in dieser Zeit noch gewesen sei. So seien in seinem Referendariat die Formulare zum Beantragen seiner ersten Elternzeit 1995 – die damals noch Erziehungsurlaub geheißen habe – nur auf Mütter ausgerichtet gewesen und gar nicht auf Väter, was von den ZuhörerInnen schmunzelnd zur Kenntnis genommen wurde. Herr Kutschaty betonte jedoch auch, dass damals die Unterstützung der Großeltern für ihn sehr wichtig gewesen sei und eine Elternzeit als Abgeordneter dennoch schwierig gewesen sei. Er nannte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Herausforderung, welche er insbesondere durch großen Familienzusammenhalt habe bewältigen können. Beide Referenten sind sich einig, dass die Parlamente familienfreundlicher werden sollten und dass Kinder in Sitzungen immer eine große Freude brächten.
Interessant war auch die Antwort auf die Frage, wie die Referenten mit den Unsicherheiten durch das zeitlich begrenzte Mandat und der fehlenden Planbarkeit umgingen. Für beide sei dabei insbesondere die Rückkehrmöglichkeit in den Anwaltsberuf von großer Bedeutung. Herr Kutschaty betonte in diesem Zusammenhang auch, dass es ein Irrtum sei, Jura zu studieren, um dann BerufspolitikerIn zu werden. Es gäbe nur wenige Abgeordnete und darum sei es umso wichtiger, noch eine andere Berufsmöglichkeit zu haben. Besonders genau hörten die TeilnehmerInnnen bei den Anekdoten zu, die die Referenten auf die Frage erzählten, ob sie durch ihren Beruf schon viele berühmte Persönlichkeiten kennenlernen durften. Die Referenten berichteten zur Freude aller offen unter anderem von Tee-Veranstaltungen und Aufzugfahrten mit sehr berühmten politischen Persönlichkeiten oder von Treffen mit anderen Staatsoberhäuptern oder Mitgliedern des englischen Könighauses. Auch sprachen die Gäste über den Frauenanteil in ihrem beruflichen Umfeld, vergangenen Erfahrungen mit Bedrohungen und teilten den TeilnehmerInnen mit, was sie studiert hätten, wenn Jura nicht möglich gewesen wäre (beide hätten sich sonst für (Innen-)Architektur entschieden, was Herr Kutschaty damit begründete, dass Politikerinnen sowie Architekten „gerne bauen und gestalten“ würden.
Insgesamt herrschte eine sehr persönliche Atmosphäre und die Referenten standen zahlreichen weiteren Fragen Rede und Antwort.
Zuletzt wurden die Gäste von Frau Prof. Dr. Lugani noch gefragt, was sie Studierenden mit auf den Weg geben wollen würden. Frau Helling-Plahr forderte die TeilnehmerInnen dazu auf, sich nicht nur juristisch, sondern auch politisch zu interessieren. Herr Kutschaty ermunterte alle, neben dem Studium über den Tellerrand zu schauen, was nicht unbedingt politisch sein müsse. Dies bereichere – so Herr Kutschaty – nicht nur einen selbst, sondern sei auch ein positiver Faktor bei Bewerbungen und zeige soziale Kompetenz. Diese gelungenen Schlussworte stellten das Ende der Fragerunde und damit auch der Veranstaltung dar.
Von den Studierenden, MitarbeiterInnen der Fakultät und allen sonstigen zugeschalteten Interessierten erhielten wir ein durchweg positives Feedback. Auch die hohe Teilnehmerzahl bis zum Ende der Veranstaltung sowie die zahlreichen Fragen verdeutlichten das große Interesse an dem besprochenen Thema „JuristInnen in der Politik“.
Ein herzliches Dankeschön gebührt Frau Helling-Plahr und Herrn Kutschaty, die trotz Online-Konferenz so authentisch, detailliert und offen von ihrem Beruf und ihrem Lebensweg berichtet haben und uns mit Ihren Erzählungen, Einschätzungen und Antworten den Beruf viel näher gebracht haben. Es war eine sehr interessante und kurzweilige Veranstaltung, die nur dank unserer Gäste ein großer Erfolg wurde. Frau stud. iur. Kathrin Leitges ist für die Organisation der Veranstaltung herzlich zu danken.
Die TeilnehmerInnen der Veranstaltung möchten wir gerne herzlich dazu auffordern, uns ihr Feedback und ihre Rückmeldungen per Mail an kathrin.leitges(at)hhu.de zukommen zu lassen.