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Forum Arbeitsrecht: Die Erstreikbarkeit von Sozialtarifverträgen in verbandsangehörigen Unternehmen

Forum Arbeitsrecht

Am Montag, dem 19. Juni 2006, fand zum vierten Mal eine Vortrags– und
Diskussionsveranstaltung im Rahmen des „Forum Arbeitsrecht“ an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf statt. Referent war Herr Dr. Uwe Schirmer, Leiter der Zentralstelle für Arbeitsrecht der Robert Bosch GmbH in Stuttgart. Herr Dr. Schirmer referierte zu dem Thema „Die Erstreikbarkeit von Sozialtarif-verträgen in verbandsangehörigen Unternehmen – rechtliche Fragen und politische Auswirkungen“. Auch dieses Mal wieder erfreute sich die Veranstaltung positiver Reso-nanz bei Vertretern aus der Praxis und der Wissenschaft sowie bei Studierenden, Refe-rendarinnen und Referendaren.
 
Herr Dr. Schirmer setzte sich im Rahmen seines Vortrages damit auseinander, ob Sozi-altarifverträge neben Sozialplänen zulässig sind und ob sie auch dann erstreikt werden können, wenn der Arbeitgeber  dem Verband angehört. Als  Anknüpfungspunkt dieser Problematik dienten drei aktuelle Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Schleswig-Holstein (v. 27.3.2003, Az. 5 Sa 137/03), Niedersachen (v. 2.6.2004, Az. 7 Sa 819/04) und Hessen (v. 2.2.2006, Az. 9 Sa 915/05),  die im Ergebnis die Erstreikbarkeit eines Sozialtarifvertrages für zulässig erklärt haben.

Dabei warf Herr Dr. Schirmer nach einer  kurzen Einführung in den Aufbau seines Un-ternehmens, der die praktische Relevanz der Frage noch einmal verdeutlichte, zunächst die Frage auf, inwiefern die §§ 111 ff. BetrVG einem Nebeneinander von Sozialtarifver-trägen und Sozialplänen entgegenstehen. Aus  der Regelung des § 112 Abs. 1 S. 4 BetrVG, der zufolge § 77 Abs. 3 BetrVG auf den Sozialplan nicht anzuwenden ist, fol-gerte er, dass der Gesetzgeber ein derartiges Nebeneinander für  möglich erachtet. Problematisch erscheine jedoch, dass dies zu einer unterschiedlichen Absicherung der Beschäftigten und folglich zu einer massiven Störung des im Betriebsverfassungsgesetz statuierten Ordnungsprinzips führen könne. Im Ergebnis schlug Herr Dr. Schirmer eine analoge Anwendung des § 74 Abs. 2 BetrVG vor mit der Folge, dass ein Nebeneinander von Sozialtarifverträgen und Sozialplänen zwar zulässig sei, ein Sozialplan aber wegen der fehlenden Verhältnismäßigkeit eines entsprechenden Arbeitskampfes nicht erstreikt werden könne.
 
Unter Berücksichtigung der Vorschriften des Tarifvertragsrechts verbiete sich darüber hinaus jede grundsätzliche Regelung im Sozialtarifvertrag. Hierbei verwies Herr Dr. Schirmer insbesondere auf mögliche Problemstellungen im Zusammenhang mit arbeits-vertraglichen Bezugnahmeklauseln. 


Weiterhin setzte sich Herr Dr. Schirmer mit aus-
gewählten Fragen des Tarifvertragsrechts bezüglich tarifgebundener Unterneh-
men auseinander. In diesem Zusammenhang kam er zu dem Schluss, dass durch den Verbandsbeitritt zwar keine „arbeitskampffreie Zone“ geschaffen werden dürfe, die Friedenspflicht aber an die Verbandsangehörigkeit anknüpfe und auch solche Inhalte erfasse, die bisher nicht Gegenstand eines Verbandstarifvertrags geworden seien. 

Zum Abschluss seines Vortrages befasste  sich Herr Dr. Schirmer mit den Auswirkungen, welche die Erstreikbarkeit von Sozialtarifverträgen in verbandsangehörigen Unternehmen in beschäftigungs- und wirtschaftspolitischer Hinsicht haben kann. Er ging insbesondere auf die möglichen negativen Folgen für die Attraktivität des Standortes Deutschland ein, die mit einer (weiteren) Erosion des Flächentarifvertrages verbunden
sein können. Zudem stellte er die Frage, ob nicht die Kompetenzverteilung zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten bezüglich des Sozialplans neu justiert werden müsse.

Im Anschluss an den Vortrag  entwickelte sich eine rege  und ausführliche Diskussion über die skizzierten Problemfelder, aber auch zu darüber hinaus gehenden Fragestellungen. Der Meinungsaustausch konnte anschließend im Rahmen eines Umtrunks und Imbisses fortgeführt werden.

Veranstaltungsdetails

19.06.2006, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Forum Arbeitsrecht
Verantwortlichkeit: